Toxicity killed the bank

Ein LinkedIn-Post von Wolfgang Jenewein

Als ich vor 27 Jahren in die Schweiz kam, fiel mir sofort ihre starke Finanzindustrie auf. Insbesondere die Credit Suisse hatte es mir angetan. Eine globale Bank mit einer Geschichte, welche bis ins Jahr 1856 zurückreicht und gleichzeitig für Solidität, Qualität und Kundenorientierung steht. Ich war überzeugt und wurde Kunde.

Seit gestern ist diese Ikone der Schweizer Wirtschaft Geschichte! Doch wie kam es dazu: 
Nach der Finanzkrise 2008 hat die Credit Suisse im Gegensatz zur UBS, weiterhin am risikoreichen Investmentbanking festgehalten. Das bescherte in guten Jahren grosse Gewinne, aber auch immer wieder dramatische Verluste. Gleichzeitig entstanden intern unterschiedliche Kulturen. Auf der einen Seite das Investmentbanking „immer auf der Suche nach dem nächsten Deal“, auf der anderen Seite die traditionelle Vermögensverwaltung mit der Betreuung der wohlhabenden Kunden. Das führte zu Spannungen, welche durch diverse Geldwäsche Vergehen verstärkt wurden. Als dann im Jahr 2021 zunächst Greensill kollabierte und kurze Zeit später auch noch der US-Hedgefonds Archegos pleiteging, musste die Bank innerhalb kurzer Zeit 15 Milliarden Dollar abschreiben. Seither war das Vertrauen angekratzt und der Finanzriese hing buchstäblich an den Seilen des saudischen Grossaktionärs. Als dieser nach dem Bankrott der Silicon Valley Bank bekannt gab, dass es keine weitere Unterstützung für das Geldhaus geben wird und immer mehr Kunden ihre Gelder abzogen, war das Ende der Credit Suisse in ihrer jetzigen Form besiegelt.

Das alles sind aber nur die Symptome einer tieferliegenden Ursache: Eine toxische Unternehmenskultur. Eine Organisation, welche ihre Mitarbeitende auf Resultate reduziert und ein Umfeld von KPIs, MbOs und OKRs schafft, muss sich nicht wundern, wenn sie am Ende Ellbogenmentalität und kurzfristige Optimierung erntet. Wenn Menschen auf ihren Output reduziert werden, verlieren sie das Gefühl für das Miteinander und gehen unkalkulierbare Risiken ein. Wenn die Zielvorgaben in einem System kombiniert werden mit hohen extrinsischen Stimuli, tendieren Menschen dazu darüber zu sprechen wieviel sie machen und weniger darüber, was sie machen. Die Dienstleistung, welche die Menschen erstellen, ist nicht mehr so wichtig wie der finanzielle Anreiz, den man bei der Zielerreichung bekommt. Immer neue Führungskräfte haben über die letzten Jahre noch versucht das Ruder rumzureissen. Es wurden grosse Townhalls und Versprechungen gemacht, eine wirkliche kulturelle Transformation hat man aber versäumt. Jetzt ist es zu spät: 
Toxicity killed the Bank 

Es ist sehr traurig, weil ich in der CS viele grossartige Menschen kenne und weiss wie sehr sie jeden Tag für ihre Kunden kämpfen. Am Ende waren sie aber auch oft müde immer wieder gegen die gleichen Mechanismen im System anzukämpfen.

Was sind Eure Emotionen und Interpretationen an diesem Tag? Die CS wird wohl nicht die letzte Bank bleiben, welche ihrer Kultur zum Opfer fällt.

Herzlichst
Euer Wolfgang

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